Sonntag, 19. April 2015

ZehnGrammLeben - #8 Die verlorene halbe Stunde

Es ist Samstagabend, die Chips-Tüte liegt bereit, das Bier ist kaltgestellt und um 20:15 Uhr läuft ein Film im Fernsehen den ich schon immer mal anschauen wollte. Ich springe also schnell unter die Dusche, versinke danach kurz in den endlosen Weiten von YouTube und danach gönne ich mir ein richtiges, hausgemachtes Schnitzel. Als dann meine fertige Mahlzeit vor mir auf dem Couchtisch steht, ich in der einen Hand mein Bier und in der anderen die Fernbedienung halte, ist es bereits 20:45 Uhr und der Film hat längst begonnen. Und schon hab ich keinen Bock mehr auf ihn und verlaufe mich ein weiteres Mal in den endlosen Weiten von YouTube. Wieder einmal wurde ich Opfer der verlorenen halben Stunde. 




Gefühlt seit ich mein Abitur gemacht habe, habe ich das unsägliche Gefühl, dass mir eine halbe Stunde meines Lebens irgendwo zwischen dem Stau auf dem Weg zum Zivi und der verpassten Vorlesung um 8:15 Uhr abhanden gekommen ist. Eine halbe Stunde die mich fortan immer genau dann in Stress versetzt, wenn ich eigentlich pünktlich irgendwo sein müsste. Meistens schaffe ich das auch, aber wie fantastisch wäre es, wenn mir diese 30 min tatsächlich gehörten und ich endlich den Freiraum für Entspannung selbst einplanen könnte.
Jetzt stellen sich für mich zwei Fragen. Erstens: Wo und wann habe ich diese halbe Stunde verloren, gleichbedeutend mit der Frage, ob ich sie irgendwo wieder finden kann? Und Zweitens: Geht es anderen Menschen auch so? 






Nun, die erste Frage lässt sich nur schwer beantworten, habe ich doch schon viel zu oft meine Zeit mit Banalitäten verplempert obwohl ich wusste, dass mir die Zeit dazu fehlt. Aber diese Ereignisse scheinen sich nicht zu kumulieren, es ist und bleibt nur eine halbe Stunde. Reichte also tatsächlich eine einmalige Verspätung, welche so in meinem Schicksal nicht eingeplant war und dadurch alle weiteren Termine nach hinten verschiebt? So ganz nach dem Motto „Final Destination“ nur eben nicht mit dem Tod als Hauptdarsteller sondern der Zeit? Heißt das nun auch, dass ich dem Ganzen sowieso nicht entfliehen kann, oder sollte ich morgen einfach nur eine halbe Stunde früher aufstehen, und alles ist wieder gut? Nein, das funktioniert so nicht. Glaubt mir, ich habe es versucht. Vielleicht gehört dieser leicht latente minimale Stress auch einfach zur heutigen Gesellschaft dazu. 






Und dies bringt mich zur zweiten Frage. Geht es noch irgendjemand anderen auf der Welt so wie mir? Sind meine 30 Minuten vllt. für jemand anderen sogar 42 Minuten? Oder hat jeder Mensch auf der Welt diese verlorene halbe Stunde, wodurch sich das Gefüge wieder egalisiert? Ich weiß es nicht! Letztendlich habe ich gelernt mich damit zu arrangieren. Solange es nur 30 Minuten sind und nicht 30 Stunden, lebe ich zumindest noch heute und nicht vorgestern, und das reicht mir schließlich vorerst aus. Den Film kann ich mir schließlich ja auch noch irgendwann auf DVD kaufen.

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