Sonntag, 24. Mai 2015

ZehnGrammFernsehen - #5 ESC15 Finale

Als ich gestern Nachmittag mit dem Auto fuhr und nichtsahnend einen österreichischen Radiosender hörte, kommentierter der Sprecher den durchaus unterhaltsamen serbischen Beitrag mit den Worten: Fett ist das neue Schwul! Was soll man dazu noch sagen ... außer: Zum Glück ist der Eurovision Song Contest beides!




Vielleicht erklärt dies auch die 0 Punkte für Deutschland und für Österreich, mangelt es  ihnen doch eben an diesen beiden Qualitäten. Naja, wohl eher nicht. ... aber an was liegt es dann? Schließlich war Black Smoke ein durchaus hörbarer und gut produzierter Pop-Song und Ann Sophie hat ihn einwandfrei performt. Was soll also eine führende Wirtschaftsnation wie Deutschland noch tun, als das eh schon getane?  Vllt. sollte der NDR endlich mal von seinem Hipster-Thron herabsteigen und den Mut beweisen ESC taugliche Lieder auszuwählen. Entgegen allen Unkenrufen gibt es so etwas nämlich tatsächlich. Skandinavien-Pop geht immer und das sag ich nicht nur, weil Schweden dieses Jahr gewann. Eine kraftvoller Ballade gut vorgetragen versteht man auch universell in ganz Europa. Sich von der Konkurrenz abzuheben ist da schon ein viel größerer Drahtseilakt. 





Stattdessen sind wir und die ebenfalls recht vielversprechenden und sympathischen Österreicher irgendwo zwischen glitzernden Pallettenkleidern und Windmaschinen untergegangen. Und nein, das liegt nicht an der Nachbarschaftsliebe der Ostblockländer. Russland erhielt z.B. keinen einzigen Punkt aus Lettland, obwohl die dieses Jahr sogar angemessen gewesen wären. Russland überzeugte mit einer emotionalen Ballade und einer starken Performance. Es liegt auch nicht daran, dass alle Deutschland hassen.  2010 hat uns schließlich auch keiner gehasst als Lena gewonnen hat. Im Gegensatz zu Ann Sophie war sie eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort und außerdem verstand Raab es wie kein anderer Aufmerksamkeit und Publicity zu generieren. Nirgends ist es so wichtig präsent zu sein wie vor während und nach dem ESC. Der NDR scheint diesen Trend aber verschlafen zu haben. Facebook, Twitter und PR sind für die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt so was wie Fremdwörter. 





Ich muss dazu sagen, dass ich ein großer Verfechter des ESCs bin. Wo sonst kompetieren so gut wie alle europäischen Länder friedlich an einem Abend um eine augenscheinlich wertlose Trophäe und unterhalten damit über 100 Mio Menschen? Der ESC ist Trash, er ist lustig, er ist unpolitisch (ja, verdammt nochmal das ist er) und dafür liebe ich ihn. Und hin und wieder finden sich dann auch noch ein paar Perlen der Musiklandschaft, welche man sich auch noch ein paar Jahre später anhören kann. So wie dieses Jahr Estland mit einer kühlen Pop-Ballade, der international marktreifen Dance-Nummer aus Australien oder dem elektronischen Lorde-Gedächtnis-Song aus Belgien. 







Vielleicht sollten wir anfangen diese Show als eben solche zu sehen und weniger verbissen an die Sache herangehen. Was nützt es uns, wenn plötzlich für ein Wochenende ganz Deutschland meint zum Musikexperten werden zu müssen und am Ende in Europa kein Hahn danach kräht. Schweden hat dieses Phänomen schon vor Jahrzehnten verstanden und ist dadurch Jahr für Jahr mit Leidenschaft dabei. Zeit sich eine Scheibe abzuschneiden und es sich aufs Knäckebrot zu legen. 


Douze point - la Suède! Bravo! 



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