Eigentlich wollte ich hier an dieser Stelle eine
Filmrezension schreiben zu dem Film The Avengers: Age of Ultron. Ein
fulminantes Action-Potpourri mit richtig gut aufgelegtem Cast und für einem 150
min Superheldenfilm auch erstaunlich wenig Leerlaufzeit. Eigentlich! Am Sonntag
Abend um ca. 19 Uhr änderte ich aber dann meine Meinung und das, obwohl ich den
Film noch nicht mal gesehen habe. Es fällt mir nämlich was viel Essentielleres
wie Schuppen von den Augen, was ich nun mit euch teilen möchte.
Es geht schlicht und einfach um die mediale Ungeduld in
unseren Köpfen und wie sie den Kinobesuch zerstört hat. Menschen können dank
des großen, weiten Internets alles zu jeder Zeit abrufen, gleichbedeutend mit
der unmittelbaren Gefahr, dass das Internet alles und jeden für dich abruft,
bevor du es überhaupt willst. Sprich: Spoiler!
Und nicht nur das. Die Halbwertszeit eines Filmes scheint
enorm gestiegen zu sein, reziprok mit dem Verlust einer Aufmerksamkeitsspanne.
Warum ist es uns so wichtig geworden einen Film schon in der ersten Woche zu
sehen und nicht erst 3 Wochen später? Wieso müssen wir uns überhaupt Sitzplätze
im Kino reservieren, wenn wir sie doch nicht abholen? Und wieso will ich
eigentlich hinten in der Loge sitzen, auch wenn ich dort viel zu weit weg bin
vom Geschehen und 16€ für einen 3D-Film mit Überlänge bezahle?
Ganz einfach, wir haben alle Angst etwas zu verpassen. Wir
fürchten uns so sehr davor, nicht das Beste vom Besten zu bekommen, und das
natürlich als Erster, sodass wir unsere Aufmerksamkeit nach nur wenigen Wochen
schon wieder dem nächsten Spektakel zuwenden. Oder würdet ihr heute noch in
Fast & Furious 7 gehen?
Wehmütig denk ich an die Zeiten zurück, als man Zuhause noch
gegrübelt hat, wie viel vor Einlass man denn am besten dort sein sollte, um noch
Karten zu bekommen, und ob der Film überhaupt so beliebt ist. Ja schon fast
sehnsüchtig wünsche ich mir die Zeiten zurück, als man gerne noch 1-2 Wochen
gewartet hat, um in Ruhe den Film schauen zu können. Aber dies ist wohl so
unwahrscheinlich wie die Kinowerbung ohne „Will jemand ein Eis?“.
Es heißt immer: Kino ist tot! Wenn ich mir aber am
Wochenende das Mathäser in München anschaue – das größte Kino in der bayrischen
Hauptstadt – dann ist das Kino alles andere als tot - im Gegenteil. Vor den
Sälen herrscht ein Krieg um das größte Popcorn, um den besten Sitz und um das
größte cineastische Wissen, der seine Toten erst noch fordern wird. Ein Krieg,
den selbst die Avengers nicht verhindern können, mögen sie auch noch so stark
sein und der Film noch so gut sein.
Es ist Samstagabend, die Chips-Tüte liegt bereit, das Bier
ist kaltgestellt und um 20:15 Uhr läuft ein Film im Fernsehen den ich schon
immer mal anschauen wollte. Ich springe also schnell unter die Dusche, versinke
danach kurz in den endlosen Weiten von YouTube und danach gönne ich mir ein
richtiges, hausgemachtes Schnitzel. Als dann meine fertige Mahlzeit vor mir auf
dem Couchtisch steht, ich in der einen Hand mein Bier und in der anderen die
Fernbedienung halte, ist es bereits 20:45 Uhr und der Film hat längst begonnen.
Und schon hab ich keinen Bock mehr auf ihn und verlaufe mich ein weiteres Mal
in den endlosen Weiten von YouTube. Wieder einmal wurde ich Opfer der
verlorenen halben Stunde.
Gefühlt seit ich mein Abitur gemacht habe, habe ich das
unsägliche Gefühl, dass mir eine halbe Stunde meines Lebens irgendwo zwischen
dem Stau auf dem Weg zum Zivi und der verpassten Vorlesung um 8:15 Uhr abhanden
gekommen ist. Eine halbe Stunde die mich fortan immer genau dann in Stress
versetzt, wenn ich eigentlich pünktlich irgendwo sein müsste. Meistens schaffe
ich das auch, aber wie fantastisch wäre es, wenn mir diese 30 min tatsächlich
gehörten und ich endlich den Freiraum für Entspannung selbst einplanen könnte.
Jetzt stellen sich für mich zwei Fragen. Erstens: Wo und
wann habe ich diese halbe Stunde verloren, gleichbedeutend mit der Frage, ob
ich sie irgendwo wieder finden kann? Und Zweitens: Geht es anderen Menschen
auch so?
Nun, die erste Frage lässt sich nur schwer beantworten, habe
ich doch schon viel zu oft meine Zeit mit Banalitäten verplempert obwohl ich
wusste, dass mir die Zeit dazu fehlt. Aber diese Ereignisse scheinen sich nicht
zu kumulieren, es ist und bleibt nur eine halbe Stunde. Reichte also tatsächlich
eine einmalige Verspätung, welche so in meinem Schicksal nicht eingeplant war
und dadurch alle weiteren Termine nach hinten verschiebt? So ganz nach dem
Motto „Final Destination“ nur eben nicht mit dem Tod als Hauptdarsteller
sondern der Zeit? Heißt das nun auch, dass ich dem Ganzen sowieso nicht
entfliehen kann, oder sollte ich morgen einfach nur eine halbe Stunde früher
aufstehen, und alles ist wieder gut? Nein, das funktioniert so nicht. Glaubt
mir, ich habe es versucht. Vielleicht gehört dieser leicht latente minimale
Stress auch einfach zur heutigen Gesellschaft dazu.
Und dies bringt mich zur zweiten Frage. Geht es noch
irgendjemand anderen auf der Welt so wie mir? Sind meine 30 Minuten vllt. für
jemand anderen sogar 42 Minuten? Oder hat jeder Mensch auf der Welt diese
verlorene halbe Stunde, wodurch sich das Gefüge wieder egalisiert? Ich weiß es
nicht! Letztendlich habe ich gelernt mich damit zu arrangieren. Solange es nur
30 Minuten sind und nicht 30 Stunden, lebe ich zumindest noch heute und nicht
vorgestern, und das reicht mir schließlich vorerst aus. Den Film kann ich mir
schließlich ja auch noch irgendwann auf DVD kaufen.
Ach liebe Münchner, der folgende Text könnte eure
Schickeria-Runde deutlich empören, und vielleicht sogar das Botox aus euren
Adern spritzen lassen. Frei nach einem Zitat von Wir sind Helden: „Das ist das
Land der unbegrenzten Möglichkeiten!“, scheint es nämlich, als versinke die
bayrische Landeshauptstadt in ihrer unentschlossenen Sinnlosigkeit. Harte
Worte, die ich als Provinzbayer da um mich werfe. Doch lässt sich dies leicht
begründen.
In letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass München - bzw.
seine Party-Szene – nicht mehr so Recht weiß, wohin sie sich entwickeln soll.
Auf der einen Seite wäre man gerne so hip wie Hamburg mit der Diversität von
Berlin, auf der anderen Seite sind die P1-Stammgäste doch irgendwie total stolz
auf ihr schlechtes Champagner-Image, das sie sich über Jahrzehnte aufgebaut
haben. Clubs, Bars und sonstige Institutionen, welche irgendwo dazwischen und
damit vielleicht genau richtig liegen werden verschluckt. Zu spüren bekommt man
das dann der junge Student, der doch eigentlich einfach nur ein Bierchen
trinken gehen wollte.
Ein paar Beispiele: Ich wollte mit ein paar Freunden in
meine Lieblingsbar, das Barer47 auf einen Absacker, nur kamen wir nicht rein.
Begründung war, es rentiere sich nicht mehr. Wohlgemerkt es ist gerade mal 1 Uhr.
Selbe Bar, anderer Abend und wir kommen rein ... aber auch nur für 1 Stunde,
denn danach ist die komplette Bar für einen Geburtstag reserviert. WELCHER
STUDENT zur Hölle reserviert eine GANZE Bar?
Aber nun gut ... wieder anderer Abend, ein Samstag, und ich
will mit ein paar Freunden feiern gehen und wir entscheiden uns für meinen
Lieblingsclub: Club Sauna. Schließlich haben sie groß Werbung dafür gemacht,
dass sie ihren 3-jährigen Geburtstag feiern. Nur blöd, dass man erst vom
Türsteher erfährt, dass man Stammgast sein muss um da mitfeiern zu dürfen. Wie
man Stammgast wird, konnten mir die netten Herren leider nicht verraten. Wir
gingen also weiter. Unser nächstes Ziel war schon anvisiert. Auch dort kamen
wir nicht rein, schließlich sei dort heute geschlossene Gesellschaft ... nur
für Griechen. Ja ... an dieser Stelle erspare ich mich einen flachen Witz über
die Europäische Fiskalpolitik und komme gleich zum Punkt.
Fakt ist, es war Samstag und wir wussten nicht wohin wir
gehen sollten. Ins 089? In die Milchbar? Oder gleich raus ins Willenlos? Nur um
dann vor Ort das Blut einer Jungfrau opfern zu müssen um irgendwo reinzukommen und
dann 3,50€ zu zahlen für 0,5 l Bier. Das klingt natürlich so hätte ich keine
Alternativen, so ist es natürlich nicht. Aber wo bleibt der Spaß, wenn ich als
einziger auf der Tanzfläche stehe und neben mir die leicht bekleideten Mädels
ihre Beine übereinander schlagend in die Luft starren, während ihre Freunde mit
dem Handy auf 9Gag surfen?
Natürlich gibt es auch tolle Locations, die dem
oberbayrischen Verfall entkommen konnten, wie z.B. das Café Kosmos, das Labor,
das Beverly Kills, das X-cess oder das Atomic Café. Aber wer garantiert mir denn,
dass es nicht wie Letzteres einfach mal durch einen Lacost-Laden ersetzt wird,
während die Monotonie bleibt? Eben niemand.
Also liebe Münchner: Feiert doch das nächste Mal eure Sweet
16 Party daheim, niemand wird euch für ein Wochenende vermissen. Der
Provinzbayer will auch mal seinen Spaß.