Montag, 27. April 2015

ZehnGrammLeben - #9 Avengers: Age of Ungeduld

Eigentlich wollte ich hier an dieser Stelle eine Filmrezension schreiben zu dem Film The Avengers: Age of Ultron. Ein fulminantes Action-Potpourri mit richtig gut aufgelegtem Cast und für einem 150 min Superheldenfilm auch erstaunlich wenig Leerlaufzeit. Eigentlich! Am Sonntag Abend um ca. 19 Uhr änderte ich aber dann meine Meinung und das, obwohl ich den Film noch nicht mal gesehen habe. Es fällt mir nämlich was viel Essentielleres wie Schuppen von den Augen, was ich nun mit euch teilen möchte. 

Es geht schlicht und einfach um die mediale Ungeduld in unseren Köpfen und wie sie den Kinobesuch zerstört hat. Menschen können dank des großen, weiten Internets alles zu jeder Zeit abrufen, gleichbedeutend mit der unmittelbaren Gefahr, dass das Internet alles und jeden für dich abruft, bevor du es überhaupt willst. Sprich: Spoiler! Und nicht nur das. Die Halbwertszeit eines Filmes scheint enorm gestiegen zu sein, reziprok mit dem Verlust einer Aufmerksamkeitsspanne. Warum ist es uns so wichtig geworden einen Film schon in der ersten Woche zu sehen und nicht erst 3 Wochen später? Wieso müssen wir uns überhaupt Sitzplätze im Kino reservieren, wenn wir sie doch nicht abholen? Und wieso will ich eigentlich hinten in der Loge sitzen, auch wenn ich dort viel zu weit weg bin vom Geschehen und 16€ für einen 3D-Film mit Überlänge bezahle? 





Ganz einfach, wir haben alle Angst etwas zu verpassen. Wir fürchten uns so sehr davor, nicht das Beste vom Besten zu bekommen, und das natürlich als Erster, sodass wir unsere Aufmerksamkeit nach nur wenigen Wochen schon wieder dem nächsten Spektakel zuwenden. Oder würdet ihr heute noch in Fast & Furious 7 gehen? Wehmütig denk ich an die Zeiten zurück, als man Zuhause noch gegrübelt hat, wie viel vor Einlass man denn am besten dort sein sollte, um noch Karten zu bekommen, und ob der Film überhaupt so beliebt ist. Ja schon fast sehnsüchtig wünsche ich mir die Zeiten zurück, als man gerne noch 1-2 Wochen gewartet hat, um in Ruhe den Film schauen zu können. Aber dies ist wohl so unwahrscheinlich wie die Kinowerbung ohne „Will jemand ein Eis?“. 





Es heißt immer: Kino ist tot! Wenn ich mir aber am Wochenende das Mathäser in München anschaue – das größte Kino in der bayrischen Hauptstadt – dann ist das Kino alles andere als tot - im Gegenteil. Vor den Sälen herrscht ein Krieg um das größte Popcorn, um den besten Sitz und um das größte cineastische Wissen, der seine Toten erst noch fordern wird. Ein Krieg, den selbst die Avengers nicht verhindern können, mögen sie auch noch so stark sein und der Film noch so gut sein.

Sonntag, 19. April 2015

ZehnGrammLeben - #8 Die verlorene halbe Stunde

Es ist Samstagabend, die Chips-Tüte liegt bereit, das Bier ist kaltgestellt und um 20:15 Uhr läuft ein Film im Fernsehen den ich schon immer mal anschauen wollte. Ich springe also schnell unter die Dusche, versinke danach kurz in den endlosen Weiten von YouTube und danach gönne ich mir ein richtiges, hausgemachtes Schnitzel. Als dann meine fertige Mahlzeit vor mir auf dem Couchtisch steht, ich in der einen Hand mein Bier und in der anderen die Fernbedienung halte, ist es bereits 20:45 Uhr und der Film hat längst begonnen. Und schon hab ich keinen Bock mehr auf ihn und verlaufe mich ein weiteres Mal in den endlosen Weiten von YouTube. Wieder einmal wurde ich Opfer der verlorenen halben Stunde. 




Gefühlt seit ich mein Abitur gemacht habe, habe ich das unsägliche Gefühl, dass mir eine halbe Stunde meines Lebens irgendwo zwischen dem Stau auf dem Weg zum Zivi und der verpassten Vorlesung um 8:15 Uhr abhanden gekommen ist. Eine halbe Stunde die mich fortan immer genau dann in Stress versetzt, wenn ich eigentlich pünktlich irgendwo sein müsste. Meistens schaffe ich das auch, aber wie fantastisch wäre es, wenn mir diese 30 min tatsächlich gehörten und ich endlich den Freiraum für Entspannung selbst einplanen könnte.
Jetzt stellen sich für mich zwei Fragen. Erstens: Wo und wann habe ich diese halbe Stunde verloren, gleichbedeutend mit der Frage, ob ich sie irgendwo wieder finden kann? Und Zweitens: Geht es anderen Menschen auch so? 






Nun, die erste Frage lässt sich nur schwer beantworten, habe ich doch schon viel zu oft meine Zeit mit Banalitäten verplempert obwohl ich wusste, dass mir die Zeit dazu fehlt. Aber diese Ereignisse scheinen sich nicht zu kumulieren, es ist und bleibt nur eine halbe Stunde. Reichte also tatsächlich eine einmalige Verspätung, welche so in meinem Schicksal nicht eingeplant war und dadurch alle weiteren Termine nach hinten verschiebt? So ganz nach dem Motto „Final Destination“ nur eben nicht mit dem Tod als Hauptdarsteller sondern der Zeit? Heißt das nun auch, dass ich dem Ganzen sowieso nicht entfliehen kann, oder sollte ich morgen einfach nur eine halbe Stunde früher aufstehen, und alles ist wieder gut? Nein, das funktioniert so nicht. Glaubt mir, ich habe es versucht. Vielleicht gehört dieser leicht latente minimale Stress auch einfach zur heutigen Gesellschaft dazu. 






Und dies bringt mich zur zweiten Frage. Geht es noch irgendjemand anderen auf der Welt so wie mir? Sind meine 30 Minuten vllt. für jemand anderen sogar 42 Minuten? Oder hat jeder Mensch auf der Welt diese verlorene halbe Stunde, wodurch sich das Gefüge wieder egalisiert? Ich weiß es nicht! Letztendlich habe ich gelernt mich damit zu arrangieren. Solange es nur 30 Minuten sind und nicht 30 Stunden, lebe ich zumindest noch heute und nicht vorgestern, und das reicht mir schließlich vorerst aus. Den Film kann ich mir schließlich ja auch noch irgendwann auf DVD kaufen.

Montag, 13. April 2015

ZehnGrammLeben - #7 München - Tag & Nacht

Ach liebe Münchner, der folgende Text könnte eure Schickeria-Runde deutlich empören, und vielleicht sogar das Botox aus euren Adern spritzen lassen. Frei nach einem Zitat von Wir sind Helden: „Das ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten!“, scheint es nämlich, als versinke die bayrische Landeshauptstadt in ihrer unentschlossenen Sinnlosigkeit. Harte Worte, die ich als Provinzbayer da um mich werfe. Doch lässt sich dies leicht begründen. 

In letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass München - bzw. seine Party-Szene – nicht mehr so Recht weiß, wohin sie sich entwickeln soll. Auf der einen Seite wäre man gerne so hip wie Hamburg mit der Diversität von Berlin, auf der anderen Seite sind die P1-Stammgäste doch irgendwie total stolz auf ihr schlechtes Champagner-Image, das sie sich über Jahrzehnte aufgebaut haben. Clubs, Bars und sonstige Institutionen, welche irgendwo dazwischen und damit vielleicht genau richtig liegen werden verschluckt. Zu spüren bekommt man das dann der junge Student, der doch eigentlich einfach nur ein Bierchen trinken gehen wollte. 




Ein paar Beispiele: Ich wollte mit ein paar Freunden in meine Lieblingsbar, das Barer47 auf einen Absacker, nur kamen wir nicht rein. Begründung war, es rentiere sich nicht mehr. Wohlgemerkt es ist gerade mal 1 Uhr. Selbe Bar, anderer Abend und wir kommen rein ... aber auch nur für 1 Stunde, denn danach ist die komplette Bar für einen Geburtstag reserviert. WELCHER STUDENT zur Hölle reserviert eine GANZE Bar? Aber nun gut ... wieder anderer Abend, ein Samstag, und ich will mit ein paar Freunden feiern gehen und wir entscheiden uns für meinen Lieblingsclub: Club Sauna. Schließlich haben sie groß Werbung dafür gemacht, dass sie ihren 3-jährigen Geburtstag feiern. Nur blöd, dass man erst vom Türsteher erfährt, dass man Stammgast sein muss um da mitfeiern zu dürfen. Wie man Stammgast wird, konnten mir die netten Herren leider nicht verraten. Wir gingen also weiter. Unser nächstes Ziel war schon anvisiert. Auch dort kamen wir nicht rein, schließlich sei dort heute geschlossene Gesellschaft ... nur für Griechen. Ja ... an dieser Stelle erspare ich mich einen flachen Witz über die Europäische Fiskalpolitik und komme gleich zum Punkt. 




Fakt ist, es war Samstag und wir wussten nicht wohin wir gehen sollten. Ins 089? In die Milchbar? Oder gleich raus ins Willenlos? Nur um dann vor Ort das Blut einer Jungfrau opfern zu müssen um irgendwo reinzukommen und dann 3,50€ zu zahlen für 0,5 l Bier. Das klingt natürlich so hätte ich keine Alternativen, so ist es natürlich nicht. Aber wo bleibt der Spaß, wenn ich als einziger auf der Tanzfläche stehe und neben mir die leicht bekleideten Mädels ihre Beine übereinander schlagend in die Luft starren, während ihre Freunde mit dem Handy auf 9Gag surfen? 

Natürlich gibt es auch tolle Locations, die dem oberbayrischen Verfall entkommen konnten, wie z.B. das Café Kosmos, das Labor, das Beverly Kills, das X-cess oder das Atomic Café. Aber wer garantiert mir denn, dass es nicht wie Letzteres einfach mal durch einen Lacost-Laden ersetzt wird, während die Monotonie bleibt? Eben niemand. Also liebe Münchner: Feiert doch das nächste Mal eure Sweet 16 Party daheim, niemand wird euch für ein Wochenende vermissen. Der Provinzbayer will auch mal seinen Spaß.